Gleich mehrere der großen Bergbaugesellschaften hatten offensichtlich genug von „ihrer“ Metallbörse in London, der London Metal Exchange (LME), und von „ihrer“ Interessenvertretung London Bullion Market Association (LBMA). Laut des Nachrichtendienstes Reuters waren am 05. Februar gleich sechs Minenunternehmen der sogenannten „Kategorie 5 Mitglieder“ aus der LME mit sofortiger Wirkung ausgetreten. Darunter auch der weltweit zweitgrößte Eisenexporteur Rio Tinto Ltd.
Die LME teilt ihre Mitglieder in sieben Kategorien ein. Die Kategorie 5 Mitgliedschaft ist eine der niedrigsten Mitgliedsstufen. Laut Angaben eines Online-Mitgliedsführers der LME, haben Mitglieder dieser Stufe keine Handelsrechte, ausgenommen als Kunden.
Europas größte Metallbörse, welche der Hong Kong Exchange & Clearing Ltd. gehört, stimmte auch dem Austritt von Cargill International S.A., Nyrstar Budel BV, MetAlliance LLP, Lonconex Ltd. und Enmetco LLC zu.
Gründe für diesen Schritt wurden nicht bekanntgegeben. Eine Sprecherin lehnte jeglichen Kommentar dazu ab. Es wird jedoch darüber spekuliert, dass diese drastische Maßnahme der Bergbauunternehmen in Zusammenhang stehe mit der zunehmenden Kritik an mangelnder Transparenz und mit Manipulationsvorwürfen gegen die Metallbörse.
Erst knapp eine Woche vor dem „Massenaustritt“, kam es am 28. Januar zu Ungereimtheiten bei der Feststellung des Silber-Referenzpreises. Er lag ganze sechs Prozent unter dem Silberkurs, der zeitgleich an den offenen Märkten gehandelt wurde. Dieses Silberfixing könnte für die Minengesellschaften der ausschlaggebende Moment gewesen sein zu handeln, nachdem die eigene Interessenvertretung, die London Bullion Market Association, ihnen trotz Kritik offenbar nicht ausreichend zur Seite stand.
Interessant ist schließlich, dass sich Rio Tinto unter den Unternehmen befindet, welche der LME den Rücken zukehren. Die anglo-australische Bergbaugesellschaft ist nämlich nicht primär auf Edelmetalle spezialisiert. Womöglich ein Zeichen dafür, dass nicht nur die Edelmetallförderer allmählich genug haben. Manche Stimmen sehen in dem Austritt der Unternehmen einen historischen Moment in der Geschichte des Bergbaus. Zum ersten Mal wehren sich die Minengesellschaften gegen das Diktat des Papier-Rohstoff-Systems.
Zur Erklärung: Die Londoner Metallbörse ist eine Schwester der Londoner Börse und gehört neben Shanghai und New York zu den weltgrößten Metallhandelsplätzen. Sie bestimmt den Markt für Kassageschäfte und Termingeschäfte im Nichteisenmetallhandel. Die Börse ermöglicht ebenfalls Hedgegeschäfte und bietet die mit dem Handel verbundenen physischen Lagermöglichkeiten. Die Referenzkurse für Kassa- und Terminmarkt, die täglich weltweit ermittelt werden, sind international anerkannt.
Das traditionelle Londoner Preisfixing war im August 2014 aufgrund von Manipulationsvorwürfen gegen beteiligte Banken durch einen neuen Preismechanismus, der den Silber-Referenzkurs über eine elektronische Plattform ermittelt, abgelöst worden. Ausgehandelt wird die neue Kursreferenz jedoch auch hier lediglich durch eine Gruppe von fünf Parteien.