Wer in den letzten ein bis zwei Jahren Gold gekauft hat, durchlebt gerade eine schwierige Phase. Die Preise fallen und nahezu alle echten und selbsternannten Experten zeichnen ein düsteres Bild für die Kursentwicklung der Edelmetalle. Kein Preis scheint tief genug, keine Aussicht zu pessimistisch, um nicht im Chor der negativen Prognosen den wohlverdienten Platz einzunehmen. Sollte man jetzt also sein Gold verkaufen?
Nerven behalten – die Lehre aus der Goldhausse der 70er Jahre
Zunächst einmal darf sich jeder, der Gold gekauft hat, daran erinnern, dass deutliche Preiskorrekturen zu jedem übergeordneten Bullenmarkt zwangsläufig dazugehören. Die Parallelen zur Gold-Hausse der 70er Jahre sind überdeutlich. Vergleichen Sie:
Der Tiefstkurs für Gold in London lag im Januar 1968 bei 35,14 Dollar. Bis zum Dezember 1974 kletterte der Goldpreis auf 197,50 Dollar: ein Anstieg von 462%. 20 Monate später, im August 1976, war der Goldkurs wieder auf 103,50 Dollar gefallen: ein Rückgang von 47,59%.
Der Tiefstkurs für Gold in London lag im Januar 2001 bei 262,85 Dollar. Bis zum September 2011 kletterte der Goldpreis auf 1896,50 Dollar, ein Anstieg von 622%. 21 Monate später, im Juni 2013, war der Goldkurs wieder auf 1192,00 Dollar gefallen: ein Rückgang von 37,15%
Der Goldinvestor im August 1976 und sein Nachfolger im Juni 2013 stehen nach knapp zweijähriger Korrektur vor derselben Frage: War es das nun mit der Goldhausse? Sollte man nicht besser verkaufen, da ja alles danach aussieht, dass Gold einfach immer weiter fällt? Tatsächlich hatten Anleger und Spekulanten im August 1976 schon einen deutlicheren Rückgang des Goldpreises mitansehen müssen als im Juni 2013. Viele Investoren hatten zu diesem Zeitpunkt vor 37 Jahren bereits das Handtuch geworfen. Wer aber trotz des Kurseinbruchs sein Gold behalten hatte, dessen Geduld wurde schließlich belohnt: Bis zum Januar 1980 verteuerte sich Gold um 721%, bis bei einem Hoch von 850 Dollar das tatsächliche Ende der Gold-Hausse erreicht war.
Nun ist die Situation aus den 70er Jahren kein hundertprozentiger Garant dafür, dass sich der Goldpreis ab 2013 genauso entwickeln wird wie ab 1976. Die Gemeinsamkeiten der Kursentwicklung sind jedoch zu groß, um einfach ignoriert zu werden. „Die Geschichte wiederholt sich nicht – aber sie reimt sich“, sagt ein Sprichwort.
Das Sentiment beobachten – die Lehre aus allen Zeiten
Das Sentiment, also die Marktstimmung, kann bei der Beantwortung der Frage, ob das Ende eines Bullenmarkts bevorsteht, wertvolle Hinweise geben. Am Beginn einer Hausse und in der Schlussphase ausgeprägter Korrekturen in einem Bullenmarkt herrscht in der Regel eine eindeutig negative Einstellung gegenüber der jeweiligen Anlageklasse, in diesem Fall also gegenüber Edelmetallen. Am Ende der Hausse, in der Nähe der Höchstpreise, herrscht typischerweise pure Euphorie.
Ein gutes Beispiel für eine solche Euphorie ist der Goldmarkt von 1980 und in jüngerer Zeit die Jahrtausendwende, die das Ende des Bullenmarkts bei den Aktien und den Beginn des neuen Bullenmarkts bei Gold und Silber markierte.
Jeder wollte in den späten 90er Jahren in Aktien investiert sein, insbesondere in den Modeaktien am „Neuen Markt“. Wer am wenigsten von Aktien verstand, war am überzeugtesten, binnen kurzem durch ein paar spontane Käufe zu Reichtum zu gelangen. Im Frühjahr 2000 war die Party der Unbesonnenen dann vorbei. Der Dax markierte ein Hoch bei 8.136,16 Punkten und der „Neue Markt“ war bald Vergangenheit.
Interessant zu wissen: Der seit Jahren haussierenden DAX schloss heute, am 28. Juni 2013, bei 7.959,22 Punkten. In gut 13 Jahren ist der deutsche Leitindex nie in nennenswerter Weise über sein Hoch aus dem Jahr 2000 hinausgekommen.
Gold und Silber waren zur Jahrtausendwende – nach 19 Jahren Bärenmarkt –nicht nur unbeliebt, sie tauchten als mögliches Form der Geldanlage überhaupt nicht auf dem Radar der Investoren auf. Gold, so war zu Beginn des Bullenmarkts klar „kaufte man einfach nicht“. Wenn man noch etwas hatte, dann verkaufte man es.
So dachte und handelte nicht nur der Privatanleger von nebenan. So dachte und handelte auch der damalige Schatzkanzler und spätere Premierminister Großbritanniens, Gordon Brown, der vom Juli 1999 bis zum März 2002 insgesamt 395 Tonnen Gold für einen Durchschnittspreis von 275 Dollar verkaufte. Daher bezeichnet man diese Tiefpreisephase beim Gold, nicht ganz ohne Ironie, heute auch als „Brown’s Bottom“. Beim Höchststand des Goldpreises 2011 betrug die entgangene Wertsteigerung der britischen Goldreserven rund 4 Milliarden Pfund.
Die negative und später zumindest skeptische Attitude hat die Goldhausse der 2000er Jahre über lange Zeit begleitet. Auch im Jahr 2011, unmittelbar vor und nach dem Allzeithoch im September, waren unter den Einschätzungen der Goldpreisentwicklung negative, neutrale und positive Ausblicke zu finden. Die Mitglieder der London Bullion Market Association beispielsweise erwarteten in einer Einschätzung am Jahresende 2011 zwar ein neues Hoch für 2012 von 2.055 Dollar. Im Jahresdurchschnitt ging man jedoch mit 1.766 Dollar bereits von einem Preis unterhalb des Allzeithochs vom September 2011 aus. Das Sentiment zeigte im Großen und Ganzen zwar ein Zuviel an kurzfristigem Optimismus, nicht jedoch jene Euphorie, von der sich auch noch der letzte mitgerissen wird und die so typisch für das Ende einer Hausse ist.
Heute, knapp zwei Jahre nach dem Allzeithoch und einem Rückgang des Goldpreises von einem guten Drittel ist die negative Stimmung am Goldmarkt mit den Händen zu greifen. Im Tagesrhytmus laufen nach unten korrigierte Preiseinschätzungen der Banken für Gold über die Newsticker. Ökonomen und Kommentatoren überschlagen sich mit neuen Begründungen, warum es nun ganz sicher mit dem Goldpreis immer weiter abwärts gehen wird. Ein derart einhellig negatives Sentiment sollte zumindest aufhorchen lassen
Kann der Goldpreis kurzfristig weiter fallen? Vielleicht sogar auf 1000 Dollar? Selbstverständlich kann Gold, wie jedes Gut, das am Markt gehandelt wird, steigen oder fallen. Wie das Beispiel der 70er Jahre jedoch zeigt, ist selbst die Halbierung eines einmal erreichten Preisniveaus kein Hinweis darauf, dass die Hausse endgültig vorbei ist. Wer langfristig in Gold und Silber investiert ist, kann solche Rückschläge ohne weiteres aussitzen – und sogar die Gelegenheit zum Zukaufen nutzen. „Bull markets climb a wall of worry“, besagt eine amerikanische Investment-Weisheit.